Der Montag begann mit einem Frühstück allein mit Nayhara. Danach begleitete sie mich zu meiner Sprachschule "Simon Bolivar" auf der Mariscal de Foch in der Neustadt von Quito. Auf dem Weg dahin zeigte sie mir ihr Geschäft. Ich folgte ihr ca. 20 min. durch die lauten, belebten Strassen. Die Schule wirkte auf den ersten Eindruck nett, lebendig und professionell. Ich wurde von German begrüsst, der in Deutschland studiert hatte. Neben mir war gestern auch noch Laura angereist. Wir Beide bekamen von German erst einmal eine einführende Stadtführung in der Umgebung der Schule. Es wurden so wichtige Dinge wie die Post, ein Geschäft für Campingbedarf, Geldautomaten, Restaurants und Bars gezeigt. Wichtig schien auch die Erläuterung der "Ladies night" in einer nahen Bar gepaart mit wichtigen Verhaltensregeln im Umgang mit Alkohol und Latinomännern. Es folgten noch verschiedene Warnungen hinsichtlich der Sicherheitslage in der Stadt und des Verzehrs von Lebensmitteln. Dazu wurden noch die vielfältigen Angebote der Schule erklärt, die uns für jedes Problem Hilfe anbietet. Eine unbekümmerte, freie Erkundung der Stadt schien schwierig und allein kaum möglich. Mir war die Lust auf Herumschlendern erstmal vergangen. Als Höhepunkt der Führung besuchten wir noch einen riesigen Supermarkt in der Nähe genannt "Supermaxi". Entsprechend gross war die Reizüberflutung. Auf diesem ersten Spaziergang hatte ich mir ausserdem noch einen ordentlichen Sonnenbrand zugezogen. Es war zwar maximal 20 Grad warm, aber die Sonne brennt hier am Äquator intensiv auf das blasse Haupt. Hätt ich eigentlich wissen müssen.
Nach noch etwas Papierkram und weiteren Belehrungen über die Regeln in der Schule und in der Gastfamilie konnte die erste Spanischstunde beginnen. Wieder bildete ich mit Laura eine Gruppe mit Marianna als Lehrerin. Schnell stellte ich fest, dass ich noch nicht Alles vergessen hatte und wohl in einer Gruppe mit Laura als echter Anfängerin gut klar kommen würde. Im Unterricht begann ich mich dann auch erstmals richtig wohlzufühlen. Am Nachmittag begann es stark zu regnen, was beim Blick aus dem Fenster nicht weiter störte. German übergibt mit dann auch noch mein Handy mit ecuadorianischer SIM. Ich rufe noch schnell meine Mutti an, damit sie sich nicht sorgen muss.
Dann holte ich Nayhara aus ihrem Geschäft, einem schicken Brillenladen, ab. Wir liefen zusammen nach Hause und es ging auch schon etwas besser mit der Kommunikation. Nayhara ist eine moderne, attraktive, selbststaendige und herzliche Frau, die auf einen Macho verzichten kann. Ich denke, das passt ganz gut und ich kann mich bei ihr wohlfuehlen.
Zu Hause angekommen sitzen die anderen "Kinder" auf Zeit am Kuechentisch. Jede mit einem Laptop vor der Nase, einer davon ist wohl Familienbesitz und darf auch von mir benutzt werden. Ich vernetze erstmal mein Handy und bin so auch wieder verbunden mit der Welt. Ich lerne Matthew kennen, den 14-jaehrigen Sohn von Nayhara.Gemeinsam wird zu Abend gegessen. Nur Nayhara verzichtet, wegen der Figur. Das ist mir irgendwie vertraut.
Ich verziehe mich recht frueh in meine Hoehle im Keller. Zum Glueck habe ich genug Hoerbuecher von Beate dabei und so hilft mir ein Jugendkrimi bald wegzuschlummern.
Den naechsten Vormittag verbringe ich mit Hausaufgaben und Lernen. Der Unterricht beginnt erst 13:00 und ich bin nach dem Fruehstueck allein im Haus. Beim Blick in den Spiegel erschrecke ich, ein Aederchen im rechten Auge ist geplatzt und das sieht etwas gefaehrlich aus. Auch habe ich leichte Kopfschmerzen und fuehle mich schlapp. Jetzt macht mir die Hoehe wohl doch zu schaffen. Quito liegt auf 2800m und die Zeitverschiebung haengt mir wohl auch noch in den Knochen. Ausserdem ist diese Stadt ziemlich schmutzig. Sie liegt in einem Kessel zwischen hohen Gipfeln und so sammelt sich die ganze schlechte Luft in der Stadt. Wenn man an einer Strasse warten muss, um diese zu ueberqueren, bekommt man wegen der Abgase kaum noch Luft. Mutti hat mir einen Staubfilter mitgegeben wegen moeglicher Vulkanausbrueche. Den sollte ich wohl besser in der Stadt tragen. Da waer ich nicht die Einzige, auch wenn ich dann rumlaufe wie Michael Jackson.
Trotz dieser Widrigkeiten finde ich den Weg zur Schule und freue mich am Unterricht. Bin eben schon immer gern in die Schule gegangen. Danach gibt es noch eine Einfuehrung zum kommenden Praktikum auf den Galapagos-Inseln mit noch mehr Belehrungen. Ich werde auch gefragt, ob ich Probleme mit Spinnen, Ratten und Schlangen haette. Wuerde das jetzt noch etwas aendern? Ich spreche diese Frage nicht aus und bekomme noch die Information, dass diese Tiere dort nicht giftig sind. Das ist doch beruhigend.
Monica, die Chefin fuer die Organisation der Praktika, zieht mich noch etwas mit meinem schlechten Englisch auf, meint aber auch ich werde schnell español lernen mit meiner guten Aussprache. Ich hoffe, sie behaelt recht. Ausserdem sei ich "un poco loca en mi coco", was soviel heisst wie "ein bisschen verrueckt in der Birne". Wie sie darauf kommt, weiss ich allerdings nicht.
Der Abend verlaeuft wieder ruhig. Ich komme ins Gespraech mit meiner Mitbewohnerin Anne. Sie ist schon seit September hier, kommt urspruenglich aus Leipzig und ist auch nicht mehr 20. Sie faehrt jedes Wochenende allein raus in die Berge, um diese dann zu besteigen. Das beeindruckt mich und weckt Sehnsuechte. Ich traue mich zu fragen, ob ich vielleicht dieses Wochenende mitkommen kann. "Warum nicht." ist die Antwort. Das tut gut.
Am Donnerstag Morgen ist der gemeinsame Wochenendausflug ausgemachte Sache. Dafuer muss ich allerdings am Freitag den Unterricht ausfallen lassen. Ich hole mir die Erlaubnis in der Schule ein und hab gleich richtig gute Laune. So ist der Unterricht am Donnerstag mehr ein Gespraech ueber die Stadt und die umfangreichen Festlichkeiten um den Tag der Gruendung von Quito am 6. Dezember. Ich plappere munter mit der Lehrerin und Laura schaltet dazwischen auch einfach mal ab. In der Kaffeepause ist dann noch das monatliche Volunteermeeting. Leider ist kaum etwas zu verstehen, da es intensiv auf das Wellblechdach regnet bis hagelt. Jedenfalls wird "la voluntaria del mes" (Praktikantin des Monats) gekuehrt, das Programm der Schule vorgestellt, etwas Kritik an der Arbeitsmoral nach der "Ladies night" geuebt und nachher etwas zu naschen und zu trinken angeboten. Heute schaffe ich es, hochmotiviert und puenktlich zur Salsastunde zu erscheinen. Erst halte ich mich zurueck. Doch es dauert nicht lange bis ich eine Einzelbelehrung bekomme. Ich haette einen guten Rhythmus, aber irgendwie wuerde ich wohl sonst etwas anderes tanzen, weil ich immer so auf dem Ballen stehe. Also gebe ich mir dann Muehe, die typischen Salsabewegungen zu lernen, tiefer, mit dem ganzen Fuss, aus dem Becken. Er ordnet mir dann auch noch den besten Taenzer zu, wo es auf 6 Maedels wieder nur 2 Jungs gibt. Und als Kroenung legt der Lehrer mit mir noch ein Abschlusstaenzchen hin, welches mit "hot" kommentiert wird. Ich groove mich wohl langsam ein.
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